“Wer das Unerwartete nicht erwartet, wird es nicht finden, denn es liegt versteckt und tief verborgen.”

Heraklit, Fragment #18 um 500 v.Chr.

Die Mathematik der Serendipität

Serendipität bezeichnet die oftmals überraschende Entdeckung oder Findung einer Lösung, nach der man eigentlich gerade nicht gesucht hat. Dieser Effekt kann mit dem sogenannten Geburtstagsparadoxon mathematisch verständlich gemacht werden. Dabei handelt es sich um die erstaunlich hohe Wahrscheinlichkeit, dass zwei Leute einer größeren Gruppe am gleichen Tag Geburtstag haben. Denn meist verwechseln wir dies mit der Wahrscheinlichkeit, dass jemand den gleichen Geburtstag von jemandem Bestimmtem hat. Und dabei vernachlässigen wir die überproportional anwachsenden Kombinationsmöglichkeiten für die Wahrscheinlichkeit, dass es „irgendeine“ Übereinstimmung von Geburtstagen gibt. In ähnlicher Weise lässt sich Serendipität damit erklären, dass man eine Lösung eher für „Irgendetwas“ findet, als eine Lösung für „etwas Bestimmtes“.

So ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand den gleichen Geburtstag im Jahr hat wie ich – unter Vernachlässigung von Schaltjahren – 1/365 oder ungefähr 0,27%. Diese Wahrscheinlichkeit verdoppelt sich „fast“ auf 0,54%, wenn ich meinen Geburtstag anstatt mit einem mit zwei anderen vergleiche. Nur „fast“, weil ja auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass der zweite Teilnehmer den gleichen Geburtstag wie der erste hat. Daher steigt die Wahrscheinlichkeit nicht geradlinig mit der Anzahl an Teilnehmern an, sondern selbst bei „beliebig vielen“ Teilnehmern bleibt ein Restrisiko übrig, dass die passende Kombination noch nicht dabei gewesen ist.

Will ich dagegen herausfinden, ob dann „irgendeiner“ von uns Dreien am gleichen Tag Geburtstag hat, so gibt es für den Vergleich von mir und 2 anderen Teilnehmern hingegen schon 3 statt 2 Möglichkeiten mit einer Wahrscheinlichkeit von entsprechend „fast“ 0,81%. Denn es ist nicht nur die bestimmte Übereinstimmung mit mir möglich, sondern auch eine Übereinstimmung der beiden anderen ohne mich. Diese Möglichkeiten wachsen also stark an. Während die Wahrscheinlichkeit noch bei mageren 5,9% liegt, dass einer von 22 Teilnehmern auch meinen Geburtstag hat, überschreitet die Wahrscheinlichkeit schon 50%, dass es unter uns 23 Teilnehmern „irgendeinen“ gemeinsamen Geburtstag gibt . Und bei 365 Teilnehmern bin ich mir sogar sicher, dass es mindestens eine Übereinstimmung geben muss, während es für mich dann noch eine fast 37% Wahrscheinlichkeit gibt, dass keiner der anderen meinen eigenen Geburtstag teilt.

Entsprechend geht man bei der Serendipität davon aus, dass sich eine zufällige Erfahrung als „erfinderisch“ herausstellt. In Übereinstimmung damit zeigen Untersuchungen, dass mehr als 90% der erfinderischen Ideen außerhalb der Arbeitszeit entstehen. [vgl. IQudo: Studie Ideenfindung, Stuttgart 04/2010] Dahinter lässt sich als „serendipitärer“ Effekt vermuten, dass die zielgerichtete Suche einer (bestimmten) Erfindung während der Arbeitszeit nur zu weniger als 10% erfolgreich ist, wohingegen die unbestimmte, allgemeine Aufmerksamkeit in mehr als 90% der Fälle zu „irgendeiner“ Erfindung führt.